Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit einem Urteil vom 6. September 2023 (Az.: 4 Sa 900/22) klargestellt, dass ein Bewerber, der sich nicht ernsthaft um eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, sondern lediglich den formalen Status als Bewerber nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG anstrebt, um daraus Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen, keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts hat.
Der Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall betrieb die Beklagte ein Umzugsunternehmen in Berlin und suchte über das Portal eBay-Kleinanzeigen eine Sekretärin. Der Kläger, wohnhaft in Lohne bei Oldenburg, bewarb sich auf die Stelle, gab jedoch lediglich an, Berufserfahrung im Büro zu haben und sich mit Word, Excel und Gesetzen gut auszukennen. Ohne Lebenslauf oder Zeugnisse wurde die Bewerbung abgelehnt, da die Beklagte angab, nur weibliche Bewerberinnen zu berücksichtigen. Daraufhin forderte der Kläger eine Entschädigung von 14.000 Euro wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung nach dem AGG.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab, da es einen Rechtsmissbrauch des Klägers annahm. Es stützte sich dabei auf verschiedene Indizien:
- Der Kläger bewarb sich auf eine Stelle in Berlin, obwohl er in Lohne bei Oldenburg wohnte, ohne Angaben zu seiner Mobilität oder Umzugsbereitschaft zu machen.
- Die Bewerbung des Klägers war knapp und enthielt keine Unterlagen, die seine Qualifikationen oder Motivation für die Stelle belegten.
- Der Kläger bewarb sich auf Stellen, die nicht zu seinem beruflichen Profil passten, wie z.B. als Erzieherin, Kosmetikerin oder Nageldesignerin.
- Der Kläger machte in mehreren Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend, nachdem er Absagen erhalten hatte, und machte dabei teilweise widersprüchliche Angaben zu seiner Person.
Das Gericht entschied, dass der Kläger nicht ernsthaft an der ausgeschriebenen Stelle interessiert war, sondern lediglich den formalen Status als Bewerber erlangen wollte, um Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen. Dies wurde als Rechtsmissbrauch gewertet, der den Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ausschließt.
Die Bedeutung für die Praxis
Das Urteil unterstreicht, dass Arbeitgeber nicht schutzlos gegenüber missbräuchlichen Bewerbungen sind, die darauf abzielen, Entschädigungsansprüche nach dem AGG zu generieren. Allerdings müssen Arbeitgeber im Einzelfall nachweisen können, dass die Bewerbung nicht ernsthaft war und ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Dies kann sich als schwierig erweisen, insbesondere wenn die Bewerbung nicht offensichtlich unqualifiziert oder unvollständig ist. Daher sollten Arbeitgeber bei der Formulierung von Stellenanzeigen und der Auswahl von Bewerbern stets die Vorgaben des AGG beachten und eine diskriminierungsfreie Personalpolitik verfolgen.