Kündigung wegen Bagatelldelikts unverhältnismäßig

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 6. Juli 2023 (Az.: 6 Sa 94/23) entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der drei Europaletten an ein Osterfeuer gespendet hat, unwirksam ist, weil sie nicht auf einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB beruht.

Der Sachverhalt

Der Kläger war seit 2015 als Lagerist bei der Beklagten beschäftigt, einem Großhandel für Baustoffe mit einem großen Lagerplatz, auf dem unter anderem Europaletten gelagert werden. Der Kläger war für die Verwaltung und den Transport der Europaletten zuständig.

Im April 2021 spendete der Kläger ohne Wissen und Zustimmung der Beklagten drei Europaletten an ein Osterfeuer, das von einem örtlichen Verein organisiert wurde. Der Kläger war Mitglied des Vereins und hatte sich bereit erklärt, das Osterfeuer mit Holz zu versorgen. Er nahm die drei Europaletten von dem Lagerplatz der Beklagten und transportierte sie mit seinem privaten Pkw zu dem Osterfeuer. Der Wert der Europaletten betrug ca. 30 Euro.

Die Beklagte erfuhr von dem Vorfall durch einen anonymen Hinweis und konfrontierte den Kläger damit. Dieser räumte sein Fehlverhalten ein, entschuldigte sich und bot an, den Schaden zu ersetzen sowie eine Abmahnung zu akzeptieren. Die Beklagte lehnte das Angebot ab und erklärte die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Die Begründung der Kündigung lautete, dass der Kläger das Eigentum der Beklagten veruntreut und ihr Vertrauen schwer erschüttert habe. Der Kläger erhob Klage gegen die Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Köln zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam sei, weil sie nicht auf einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB beruhe. Das Gericht stützte sich dabei auf folgende Gesichtspunkte:

  • Obwohl das Verhalten des Klägers einen Pflichtverstoß darstellte, der grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen könnte, war der Pflichtverstoß nicht so schwerwiegend, dass er das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört hätte.
  • Der durch den Kläger verursachte Schaden war geringfügig, da es sich um drei Europaletten im Wert von ca. 30 Euro handelte, und die Beklagte keinen wirtschaftlichen Nachteil erlitt.
  • Der Kläger zeigte sofort Reue und Einsicht, entschuldigte sich und bot an, den Schaden zu ersetzen sowie eine Abmahnung zu akzeptieren.
  • Der Kläger war seit 2015 bei der Beklagten beschäftigt, hatte bisher beanstandungsfreie Arbeitsleistungen erbracht und keine vorherigen Abmahnungen erhalten. Seine Handlung war motiviert durch soziales Engagement für das Osterfeuer, nicht durch kriminelle Absicht.

Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass die Kündigung unverhältnismäßig war und eine Abmahnung als milderes Mittel ausgereicht hätte, um den Kläger zu einer vertragstreuen Verhaltensweise anzuhalten.

Die Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln verdeutlicht, dass Arbeitgeber nicht schutzlos gegenüber Bagatelldelikten ihrer Arbeitnehmer sind, die das Eigentum des Arbeitgebers schädigen oder veruntreuen. Solche Delikte können zwar eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören. Dennoch müssen Arbeitgeber im Einzelfall alle Umstände des Falles berücksichtigen, wie z.B. die Höhe des Schadens, die Motivation des Arbeitnehmers, die Reaktion des Arbeitnehmers, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die bisherige Arbeitsleistung. Eine Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie verhältnismäßig ist und kein milderes Mittel zur Verfügung steht.