Keine Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes bei ernsthaften Eigenbemühungen

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil vom 27. Juli 2023 (Az.: 10 Sa 871/21) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich während des Annahmeverzugs bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend meldet und den Vermittlungsangeboten konkret nachgeht, sich keinen böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen muss.

Der Sachverhalt

Der Kläger war seit 2017 als Vertriebsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2020. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und verlangte Annahmeverzugslohn. Die Beklagte wandte ein, dass der Kläger böswillig einen anderweitigen Verdienst unterlassen habe, weil er sich nicht ausreichend um eine neue Beschäftigung bemüht habe. Die Beklagte berief sich dabei auf die Auskunft der Agentur für Arbeit, die dem Kläger in der Zeit von Januar bis Juni 2021 insgesamt 17 Vermittlungsvorschläge unterbreitet habe, von denen er nur drei angenommen habe. Die Beklagte verlangte daher, dass der Kläger sich einen fiktiven Verdienst in Höhe von 80 Prozent seines bisherigen Gehalts anrechnen lassen müsse.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger keinen böswillig unterlassenen Verdienst zu vertreten habe, weil er sich ernsthaft um eine neue Beschäftigung bemüht habe. Das Gericht stützte sich dabei auf folgende Gesichtspunkte:

  • Der Kläger meldete sich unverzüglich nach Erhalt der Kündigung bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld.
  • Die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit lehnte der Kläger nicht pauschal ab, sondern prüfte sie jeweils auf ihre Qualifikationen und Interessen, unter Berücksichtigung von Entfernung, Arbeitszeit und Gehalt.
  • Der Kläger nahm drei Vermittlungsvorschläge an und bewarb sich bei den entsprechenden Arbeitgebern. Er aktualisierte und passte seine Bewerbungsunterlagen an.
  • Zusätzlich zu den Vorschlägen der Agentur für Arbeit unternahm der Kläger eigene Bewerbungsaktivitäten, indem er sich initiativ bei verschiedenen Unternehmen bewarb und dabei auch Online-Portale und soziale Netzwerke nutzte.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger alles Zumutbare getan habe, um eine neue Beschäftigung zu finden. Er verließ sich nicht allein auf die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit, sondern ergriff auch eigene Initiativen. Somit erfüllte er seine Schadensminderungspflicht und musste sich keinen böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen.

Die Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg verdeutlicht, dass Arbeitnehmer, die Annahmeverzugslohn geltend machen, nicht schutzlos gegenüber dem Einwand des Arbeitgebers sind, dass sie böswillig einen anderweitigen Verdienst unterlassen haben. Arbeitnehmer müssen jedoch im Einzelfall nachweisen können, dass sie sich ernsthaft um eine neue Beschäftigung bemüht haben. Dies kann sich als schwierig erweisen, wenn die Bewerbungsaktivitäten nicht dokumentiert oder nachvollziehbar sind. Daher sollten Arbeitnehmer bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung stets die Vorgaben der Agentur für Arbeit beachten und eine aktive und zielgerichtete Bewerbungsstrategie verfolgen.